Donnerstag, 14. Februar 2013

..wer bin ich


Wo wären sie lieber? 
Auf `ner Yacht im Mittelmeer mit einem Kasten kalter Cola in Reichweite oder in schweren Eisenketten zur Zwangsarbeit im Steinbruch angeschmiedet? Auf `ner Yacht, wo drei Geishas in transparenten Saris Ihnen den Rücken eincremen, kühlen Wind zufächeln und Ihnen die Füße kraulen oder mit Hammer und Pickel bewaffnet bei vierzig Grad im Schatten an einem schönen Platz in der Sonne beim Steinekloppen? Wollen sie sich lieber über ihren Leibkoch ärgern, weil der schon wieder vergessen hat, Eis unter die Kaviarperlmuttschale zu legen, oder froh sein, wenn der Aufseher zu Feierabend die Bleinäpfe mit den Heringsköpfen verteilt?
Keine einfache Frage, ich weiß, `s is unterschiedlich, das kann man so nicht sagen. Kommt halt immer drauf an, was Sie gerade mögen. Wenn sie sich einfach nur erholen möchten, dann rate ich Ihnen zur Yacht. Fals sie aber Muße haben, Ihre persönliche Freiheit mal zu erproben, dann sind Sie besser im Steinbruch aufgehoben, denn wo sonst hätten Sie Gelegenheit, sich zu fragen, ob Sie sein möchten, was Sie sind? Sie wären ein Sklave und wären es wahrscheinlich nicht gern. Das ist ein hervorragender Ausgangspunkt, um sich zu überlegen, ob man nicht vielleicht lieber etwas anderes wäre. Vielleicht ein Selbstmörder, der die Quälerei auf diese Weise beendet? Vielleicht ein Flüchtling, der lieber riskiert, auf der Flucht von hinten erschossen zu werden? Oder vielleicht der leidenschaftliche Wortführer der konspirativen Widerstandsgruppe mit dem Geheimcode „Raus aus`m Bruch“?
Das sind bereits drei Möglichkeiten, die ihnen auf der Yacht nicht eingefallen wären. Und damit haben Sie auch schon die Freiheit der Wahl, und damit klebt Ihnen bereits die Pflicht der Wahl an der Backe. Oh! Sie haben sogar noch eine Vierte Möglichkeit, Sie können nämlich auch bleiben, wer Sie sind, geht auch. Dann sind Sie Opfer der Umstände geworden, aber das macht sich unsexy im Nachruf. Nun, selbst wenn Ihr ganz persönlicher Steinbruch, geneigter Leser, nur ein Innenstadtbüro ist und Ihre Gehaltsabrechnung Ihnen jeden Monat ein Lächeln ins Gesicht zaubert, so müssen sie sich doch entscheiden, ob Sie allein oder zu zweit Liebe machen wollen, ob Sie schön oder hässlich, gut oder schlimm, groß oder klein, dick oder dünn, schlau oder doof, ja sogar, ob Sie glücklich oder unglücklich sein wollen. Denken Sie bloß nicht, ein Schicksal hätte ihnen Ihr Schicksal aufgezwungen, denn Ihr Schicksal sind immer nur Sie und was Sie entscheiden zu sein. Wenn als Sie, lieber Leser, gern fies und hässlich, klein und einsam, dick und doof und unglücklich sein wollen, wünsche ich Ihnen aufrichtig viel Freude dabei, vorausgesetzt, Sie sind mit Absicht so und nicht aus Versehen. Wir haben eine Pflicht zur Freiheit, falls wir die werden wollen, die wir sind, und da kommen wir nicht weit mit einem Kasten kalter Cola.
Nur: sauber bleiben tun wir dabei nicht. Denn wenn wir uns heute für das Schöne entscheiden, dann steht morgen das Hässliche da und greint, weil es allein übrig bleibt. So ist das im Leben, beides zusammen geht nicht, kannste nix machen.
Ihr von den schlimmsten Zahnschmerzen der Welt – und was das bedeutet, das wissen Sie ja – geplagter
Sugar Brown

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